Kalorienarme/-freie Süßstoffe und Herz-Kreislauf-Gesundheit: Wie ist der aktuelle Evidenzstand?

Wissenschaftliche Erkenntnisse vom „7. Annual Dubai International Nutrition Congress (DINC) 2021“

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bei der Bewertung des Nutzens von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln durch die Forschung sollte ihre Wirkung im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Zweck betrachtet werden, d.h. ihre Verwendung als Zuckerersatz und somit als Beitrag zur Kalorienreduzierung.
  • Analysen der gesammelten Daten, die den Ersatz von zuckerhaltigen Getränken durch Getränke mit kalorienarmen/-freien Süßstoffen untersuchen, zeigen Vorteile bei der Gewichtsentwicklung und bei kardiometabolischen Risikofaktoren.
  • Darüber hinaus deuten neue Forschungsergebnisse auch auf mögliche Vorteile bei der Reduzierung von Leberfett hin, wenn kalorienarme Alternativen anstelle von zuckergesüßten Getränken konsumiert werden.

 

Der 7th Annual Dubai International Nutrition Congress (DINC) 2021, der vom 4. bis 6. November 2021 stattfand, bot Ernährungsexperten aus Ländern des Nahen Ostens und darüber hinaus eine Plattform, um die jüngsten Fortschritte und Leitlinien im Bereich Ernährung mit dem Ziel zu erörtern, eine evidenzbasierte Praxis und Strategie in der Region zu fördern. In diesem Zusammenhang ist das Thema Zucker und Süßstoffe immer von Bedeutung, und so war ein Vortrag über kalorienarme/kalorienfreie Süßungsmittel und Herz-Kreislauf-Gesundheit Teil des wissenschaftlichen Programms des Kongresses. Dr. John Sievenpiper, MD, PhD, FRCPC, von der Universität Toronto, Kanada, erläuterte die Gründe für widersprüchliche Bewertungen der Rolle von kalorienarmen/kalorienfreien Süßungsmitteln in der Ernährung und stellte Daten aus neuen Studien vor, in denen die gesundheitlichen Auswirkungen des Ersatzes von Zucker in Getränken durch kalorienarme Alternativen untersucht wurden.

Gesundheitsbehörden und Organisationen auf der ganzen Welt, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), empfehlen allen Bevölkerungsgruppen eine Reduzierung von übermäßigem Zuckerkonsum. Diese Empfehlung hat das wissenschaftliche Interesse an Zuckerersatz wie kalorienarme/-freie Süßungsmittel verstärkt. Gleichzeitig haben widersprüchliche Berichte in Fachveröffentlichungen und in den Medien allgemein zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Süßstoffen bei Verbrauchern Zweifel an der positiven Rolle von Süßstoffen als Zuckerersatz genährt. Die unterschiedliche Auslegung der aktuellen Fachliteratur durch wissenschaftliche Experten hat zu Verwirrung geführt, die durch sorgfältig konzipierte Forschung geklärt werden muss.

Korrekte Bewertung und Interpretation aktueller Erkenntnisse

Um den potenziellen Nutzen von kalorienarmen/-freien Süßungsmitteln zu bewerten, kommt es darauf an, eine klare Forschungshypothese zu haben, die darauf abzielt, den beabsichtigten Verwendungszweck zu untersuchen, d. h. die Reduzierung der Kalorienzufuhr durch den Ersatz von überschüssigem Zuckerkonsum. Bei einem Vergleich mit einem Placebo oder Wasser, also ohne Kalorienveränderung, dürfte keine positive (oder negative) Wirkung zu erwarten sein. Daher ist es wichtig, beim Studiendesign zu klären, womit Süßungsmittel verglichen werden.

Dies gilt in ähnlicher Form auch für systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen, die kalorienhaltige (z. B. zuckerhaltige) und kalorienfreie (z. B. Wasser) Vergleichsprodukte zusammenfassen und keine eindeutig formulierte Hypothese untersuchen und dadurch gemischte Ergebnisse liefern, die schwer zu interpretieren sind.1 Kalorienarme/-freie Süßungsmittel haben keine magischen Eigenschaften, ihr Nutzen hängt von dem Grad des Kalorienersatzes ab, der durch die Reduzierung von Zucker (und damit Kalorien) bei der Nahrungsaufnahme erreicht wird.

Analyse der Erkenntnisse aus Humanstudien

Auf dem Kongress wurden die Ergebnisse von zwei Metaanalysen vorgestellt, mit denen die Evidenzlücke zu den Auswirkungen des Ersatzes von zuckergesüßten Getränken durch kalorienarme/kalorienfreie Getränke geschlossen werden sollte.

Eine Netzwerk-Metaanalyse von 14 randomisierten kontrollierten Studien (RCT) ergab, dass beim beabsichtigten Ersatz von Zucker durch Süßstoffe, also einer Kalorienreduktion, ein Nutzen in Bezug auf die Reduzierung von Körpergewicht und Körperfett sowie kardiometabolische Vorteile wie eine Verringerung des Leberfetts zu verzeichnen waren. Beim Vergleich mit Wasser hatten kalorienarm/kalorienfrei gesüßte Getränke eine neutrale Wirkung. Der Vorteil von Netzwerk-Metaanalysen besteht darin, dass diese Analyseform sowohl alle verfügbaren direkten Vergleiche, d.h. Süßstoffe gegenüber Zucker, als auch alle indirekten Vergleiche, d.h. Wasser gegenüber Zucker und Wasser gegenüber Süßstoffe, einbezieht.2

Eine weitere Metaanalyse von 12 prospektiven Kohortenstudien zeigte, dass der Ersatz von zuckerhaltigen Getränken durch kalorienarm/kalorienfrei gesüßte Getränke mit einer Verringerung des Körpergewichts, des Taillenumfangs, der Inzidenz von koronaren Herzkrankheiten, der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Gesamtsterblichkeit verbunden ist. Da es sich bei den analysierten Studien um Beobachtungsstudien handelt, sind diese Ergebnisse zwar von geringerer Qualität sind, sie stimmen jedoch mit Metaanalysen von RCT überein, die auf einen Nutzen dieser Substitution hinweisen und keine Hinweise auf negative Wirkungen liefern.3

Neue Forschungsergebnisse zur Rolle kalorienarmer/kalorienfreier Süßstoffe bei der metabolischen Gesundheit

Gegenwärtig laufen mehrere Studien, mit denen die Auswirkungen von kalorienarmen/kalorienfreien Süßungsmitteln auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit untersucht werden. Darüber hinaus befassen sich neue klinische Studien mit den Auswirkungen von Süßstoffen auf die menschliche Darmflora, darunter eine Studie unter der Leitung von Dr. Sievenpiper mit dem Titel „Strategies To OPpose SUGARS with Non-nutritive sweeteners Or Water trial”.4 Es handelt sich um eine Überkreuz-RCT, mit der die Auswirkungen der Substitution von zuckerhaltigen Getränken durch kalorienarm/kalorienfrei gesüßte Getränke oder Wasser auf die Glukosetoleranz, die Vielfalt der Darmflora und andere kardiometabolische Faktoren bei Risikopersonen/ Personen mit Übergewicht oder Adipositas über einen Zeitraum von 4 Wochen untersucht werden. Vorläufige Daten einer Untergruppe von 32 Teilnehmern, bei der speziell auf Leberfett geachtet wurde, zeigen, dass der Ersatz von zuckergesüßten Getränken durch kalorienarm/-frei gesüßte Getränke oder Wasser Leberfett reduziert, wodurch der beabsichtigte Nutzen dieser Substitution bestätigt wird.

Fazit

In seinem Vortrag kam Dr. Sievenpiper zu dem Schluss, dass man, um zu verstehen, ob und unter welchen Bedingungen die Verwendung von kalorienarmen/kalorienfreien Süßungsmitteln potenzielle kardiometabolische Vorteile haben könnte, die gesammelte Evidenz zur Bewertung des beabsichtigten Zwecks der Verwendung von kalorienarmen/kalorienfreien Süßungsmitteln betrachten sollte. Auch wenn Bedenken bestehen, ob Süßstoffe die beabsichtigten Vorteile haben, stützen die gegenwärtig vorliegenden Erkenntnisse die Aussage, dass der beabsichtigte Ersatz von Zuckerkalorien durch kalorienarme/kalorienfreie Süßstoffe dazu beitragen kann, das Körpergewicht zu kontrollieren und die damit verbundenen kardiometabolischen Risikofaktoren zu verbessern.

  1. Sievenpiper JL, Khan TA, Ha V, Viguiliouk E, Auyeung R. The importance of study design in the assessment of nonnutritive sweeteners and cardiometabolic health. CMAJ. 2017; 189: E1424–E1425.
  2. McGlynn et al, submitted. Network Meta-analyses of Artificially Sweetened Beverages and Cardiometabolic Risk. ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02879500
  3. Lee et al, under review. Meta-analysis of Low-calorie Sweetened Beverages and Cardiometabolic Outcomes. ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04245826
  4. Sievenpiper J. Strategies To OPpose SUGARS with Non-nutritive sweeteners Or Water trial. ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03543644